23. März 2022 | Aus dem Landtag, Jugend, Reden, Strukturwandel

Ohne Frauen kein Strukturwandel!

Meine Rede zum Koalitionsantrag „Ohne Frauen kein Strukturwandel – Weibliche Perspektiven stärken!“ vom 23.03.2022. Meine Rede könnt ihr euch auch beim rbb anschauen. Hier, hier und hier.

Drucksache zum Tagesordnungspunkt 7/5259

Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Kennen Sie Lena Schmelig? Sie ist 17, lebt in der Lausitz und wird diese bald verlassen. Dabei möchte sie eigentlich gerne bleiben. Im „Neue Lausitz Briefing“ schreibt sie, dass sie durch die aktuell angestoßenen Strukturwandelprojekte nicht das Gefühl hat, gebraucht zu werden.

„Gehen oder bleiben?“ – das ist das Motto der Brandenburgischen Frauenwoche. Diese Frage stellt sich für Lena sowie für viele Frauen in der Lausitz und in vielen ländlichen Regionen. Wir haben es in den letzten Jahrzehnten erlebt, es befördert den demografischen Wandel bis heute. Warum gehen Frauen und warum bleiben sie? Die Antworten sind vielfältig. Für Lena Schmelig wird zu wenig über die Ansiedlung von attraktiven Arbeitsplätzen für Wirtschafts- oder Geisteswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler geredet. Wie bei ihr spielt sicherlich bei vielen Frauen der passende Beruf eine Rolle. Wenn der Fokus nur auf Technologie und Naturwissenschaften liegt, werden viele ausgeschlossen – übrigens Männer wie Frauen.

Es stellt sich aber auch die Frage: Fahren Bus oder Straßenbahn überhaupt dorthin, wo ich arbeite? – Oder: Gibt es an meinem Wohnort auch kulturelle und Freizeitangebote für alle Altersgruppen? – Stellen Sie sich vor, jemand wie Lena Schmelig hätte in der sogenannten Kohlekommission gesessen oder würde in den Werkstätten der Wirtschaftsregion Lausitz über Projekte entscheiden, im Begleitausschuss die Umsetzung des Lausitzprogramms begleiten. Würden wir dann die Strukturmittel genauso ausgeben, wie wir es heute tun?

Frauen wurden bisher im Strukturwandelprozess zu wenig gehört. Sie sind auch in den entscheidenden Gremien unterrepräsentiert. Dabei stellen Frauen die Hälfte unserer Gesellschaft und müssen demzufolge die Hälfte der Macht haben, auch bei der Gestaltung des Strukturwandels. Wir haben uns im Sonderausschuss Strukturentwicklung in der Lausitz vertieft mit dem Thema beschäftigt. Neben unserer Frauenministerin Ursula Nonnemacher haben uns auch Lausitzerin-
nen wie eine kommunale Gleichstellungsbeauftragte, eine Sprecherin der Jugendvertretung der LEAG und eine Wissenschaftlerin eindrücklich dargestellt: Wir sind noch nicht da, wo wir sein
müssten!

Sicherlich brauchen wir Frauen als Arbeitskräfte, vor allem aber als Gestalterinnen des Strukturwandels. So stellen wir uns dem demografischen Wandel in der Lausitz entgegen. Mit diesem Antrag wollen wir die Voraussetzungen dafür schaffen. Frauen und Männer müssen gleichermaßen von Strukturwandelgeldern profitieren! Dafür brauchen wir eine solide Datengrundlage. Deswegen wollen wir das wissenschaftliche Monitoring des Brandenburger Strukturwandelprozesses um eine Erfassung von geschlechterspezifischen Daten ergänzen. Das heißt ganz praktisch: Wir können dann wissenschaftlich fundiert sagen, ob und wie stark Frauen und Männer unterschiedlich von den vielen Geldern, die in die Lausitz gehen, profitieren. Frauennetzwerke leisten einen entscheidenden Beitrag:

Das Netzwerk F wie Kraft zum Beispiel bringt Frauen aus der gesamten Lausitz zusammen. Frauen brauchen den Austausch, um über gemeinsame Probleme zu sprechen und einander bei deren Lösung zu unterstützen, um gemeinsam Initiative zu ergreifen und um Themen, die Frauen bewegen, in die Öffentlichkeit zu tragen. So können sie etwas bewegen, wodurch die Wahrscheinlichkeit, dass sie bleiben, zunimmt. Deswegen brauchen solche Frauennetzwerke unsere Unterstützung. Die Belange von Frauen müssen aber auch in der übergeordneten Zielstellung stärker berücksichtigt werden. Für den Wandel in der Lausitz legt unter anderem das Lausitzprogramm 2038 die inhaltliche und organisatorische Grundlage fest. Das Wort „Frau“ findet sich darin lediglich im Wort „Fraunhofer“ wieder, trotz des demografischen Wandels und der Entwicklung der letzten Jahrzehnte.

Wie können wir die Belange von Frauen stärker in den Blick nehmen, wenn sich diese in den grundlegenden Strategien zur Entwicklung der Lausitz nicht wiederfinden? Das wird sich in der
Fortschreibung des Lausitzprogramms ändern. Genauso, wie Frauen in die Parlamente gehören, gehören sie auch in die Strukturwandelwerkstätten und Gremien. In den Gremien, in denen der Strukturwandel bisher gestaltet wird, sitzen nirgendwo gleich viele Frauen wie Männer am Tisch. Wenn wir die weibliche Perspektive ernsthaft stärken wollen, muss sich aber genau hier etwas ändern. Die Menschen, die dort häufig ehrenamtlich arbeiten, leisten einen sehr wichtigen Beitrag. Aber leider sind es häufig eben nicht genauso viele Frauen wie Männer. Deswegen muss bei Nachbesetzungen darauf hingewirkt werden, dass beispielsweise die Organisationen vorrangig weibliche Vertreter schicken – so lange, bis in allen Bereichen die Hälfte der Entscheider Frauen sind. Wir wollen Frauen dazu ermutigen, sich stärker einzubringen. Dafür müssen wir Angebote schaffen, zum Beispiel Mentoring Programme oder Unterstützung für Gründerinnen. Das unterstützt ihren Weg zu Gestalterinnen der Lausitz.

Mit diesem Antrag wollen wir dafür sorgen, dass Frauen wie Lena Schmeling nicht mehr das Gefühl haben, sie würden in der Lausitz nicht gebraucht. Denn wir brauchen sie, um uns auf das hinzuweisen, was wir bisher noch nicht im Blick haben. Wir brauchen mehr Frauen für eine gerechtere Gestaltung der Lausitz!

Ich freue mich auf die Debatte, werbe jetzt schon um Zustimmung und werde in meiner nachfolgenden Rede auf den Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE eingehen. – Danke

Vizepräsident Galau:

Vielen Dank. – Und schon haben wir eine Kurzintervention des Kollegen Kubitzki. Bitte schön.

Herr Abg. Kubitzki (AfD):

Schönen Dank, Herr Vizepräsident. – Es ist zwar eigentlich nicht mein Thema, aber ich muss etwas dazu sagen.

(Zuruf: Warum nicht?)

– Weil ich ein Mann bin und keine Frau. – Ich muss hier einfach mal ein bisschen was geraderücken. Hier wird ja so getan, als ob Frauen in der Lausitz nichts zu sagen hätten. Ich möchte daran erinnern: Wir haben eine hervorragende Bürgermeisterin in Forst, also eine Frau. Meine Amtsdirektorin, Frau Hölzner, ist auch eine Frau. Christine Herntier, die Bürgermeisterin von Spremberg, die in der Kohlekommission mitgewirkt hat, ist auch eine Frau und macht richtig gute Arbeit. Dann haben wir die Präsidentin der BTU, Frau Gesine Grande, ebenfalls eine Frau, und zum Schluss die neugewählte Präsidentin der Handwerkskammer Cottbus, auch eine Frau. Ich sehe also eigentlich nur noch Frauen – das finde ich gut. Also tun Sie nicht so, als ob es in der Lausitz keine Frauen gäbe. Ich finde nicht, dass es einer speziellen Frauenförderung bedarf – wir haben gute Frauen, die sich engagieren, und ich bin optimistisch, dass noch ein paar hinzukommen werden. Frau Schmeling – das tut mir leid – muss sich wohl noch ein bisschen Mühe geben, aber irgendwann wird es klappen. Deswegen
braucht sie nicht aus der Lausitz wegzugehen; sie kann sich auch dort verwirklichen. Sie soll einfach Frau Herntier, Frau Hölzner oder andere Frauen anrufen und sich erkundigen, wie man es besser machen oder sich einbringen kann. Aber dass wir einen solchen Antrag bräuchten, dass Frauen extra gefördert werden müssten, sehe ich nicht. – Danke.

Vizepräsident Galau:
Frau Budke, möchten Sie reagieren? – Ja, möchte sie. Bitteschön.

Frau Abg. Ricarda Budke (B90/GRÜNE):

Herr Kubitzki, wissen Sie: Viele der Frauen, die Sie genannt haben, leisten wirklich Großartiges; das will ich voranstellen. Aber solange Sie sich hier hinstellen und die Frauen, die etwas zu sagen haben, alle aufzählen können, ist es vielleicht ein strukturelles Problem, denn dann sind es zu wenige. – Danke

[…]

Erst einmal herzlichen Dank für die eindrückliche Debatte und die vielen Schilderungen. Ich hatte schon gesagt, dass ich am Ende noch einmal auf den Antrag der Linken eingehe, und ich möchte damit auch anfangen. Aber, Herr Präsident, ich möchte Sie auch begrüßen – fürs Protokoll.

Liebe Frau Schwarzenberg, Sie haben jetzt gesagt, unser Antrag sei Ihnen zu mutlos. Das finde ich etwas schade, denn ich finde darin schon ziemlich viele mutige Forderungen. Vor allem möchte ich auch einmal sagen, dass ich es sehr mutig finde, dass wir überhaupt diese Debatte hier führen. Sie haben auch eindrücklich geschildert – dafür bin ich Ihnen dankbar -, wie viele Menschen einem antworten, wenn man sagt, wir müssen Frauen in bestimmten Positionen stärken: „Habt ihr nichts Besseres zu tun?“, wozu es auch einmal zu sagen gilt: Ja, wir haben etwas Besseres zu tun. Wir kümmern uns nämlich darum, dass Frauen tatsächlich in die entsprechenden Positionen kommen. – Das finde ich eine sehr wichtige und mutige Sache.

Sie haben die Formulierung zur paritätischen Besetzung kritisiert. Ich bin Feuer und Flamme dafür, dass wir an vielen Stellen für Doppelspitzen kämpfen, für viele andere Aspekte. Einiges, was Sie im Antrag nennen, bezieht sich direkt oder indirekt auf die Kommunalverfassung. Ich glaube aber, dass diese Diskussion wahrscheinlich auch an anderer Stelle geführt werden muss, vielleicht nicht unbedingt bei der Frage, wie wir gezielt Frauen im Strukturwandel stärken. Ich glaube aber, dass wir an anderer Stelle gemeinsam an der Seite vieler Frauen fraktionsübergreifend hier im Haus kämpfen werden.

Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen, dass ich glaube, dass die Art und Weise, wie wir das Thema im Antrag formulieren, deswegen geschickt ist, weil sie sehr pragmatisch ist, weil es nämlich heißt, dass man, wenn eine Position zum Beispiel in einer Werkstatt nachbesetzt wird, vielleicht einfach mal anruft und fragt: „Können Sie nicht auch eine Frau schicken? Haben Sie nicht auch eine Frau?“ – Dann überlegt sich der Verein, das Unternehmen oder wer auch immer dort vertreten ist: Ach, stimmt, wir haben auch eine Frau, die das sehr, sehr gut machen könnte. – Ich glaube, dass wir an manchen Stellen auch bei solchen pragmatischen Lösungen einen Schritt weiterkommen.

Weiter wird in dem Antrag der Vorschlag der Schaffung eines Frauenforums gemacht. Wir haben uns in unserem Antrag darauf bezogen, dass wir Frauennetzwerke, die schon bestehen, unterstützen wollen. Ich glaube, dass das auch besser ist, als ein Frauenforum zu schaffen, wo vor allem Frauen aus klassischen Frauenberufen reden. Ich glaube, dass in den Frauennetzwerken Betroffene sind, die sich damit auseinandersetzen und selbst entscheiden, welches Format sie wählen wollen. Ich bin auch großer Fan davon, dass wir das Ganze nicht nur auf klassische Frauenberufe beziehen – es geht um alle Frauen – und dass in den klassischen Frauenberufen auch Männer zu Wort kommen und sagen, was sie bräuchten, um beispielsweise als Pflegekraft oder Erzieher zu arbeiten. Kommunale Gleichstellungsbeauftragte im Begleitausschuss sind auch in Ihrem Antrag vorgeschlagen. Ich finde diesen Vorschlag spannend. Denn wir haben auch den Begleitausschuss in unserem ursprünglichen Antrag genannt, aber unter der etwas anderen Formulierung, dass wir darauf hinwirken wollen, diese
Gremien paritätisch zu besetzen. Ich würde, da ich über den pragmatischen Vorschlag geredet habe und glaube, dass Herr Klaus Freytag uns im Livestream zuhört, ihn einmal höflich bitten, zu prüfen, ob das ein Vorschlag ist, den man aufnehmen könnte – vielleicht auch die Landesgleichstellungsbeauftragte oder jemanden aus dem Netzwerk „F wie Kraft“, ob das eine Möglichkeit wäre, darüber den Begleitausschuss zu erweitern. Ich mache das jetzt einfach einmal frech, Herr Freytag. Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse und nehmen sich das nicht zu Herzen.

Ein letzter Punkt, den ich bei Ihnen auch sehr wichtig fand, sind die Stellungnahmen der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten. Tatsächlich ist es aber mein Wissensstand – da habe ich schon wieder eine Bitte an Herrn Freytag, dass er vielleicht im nächsten „S-Lausitz“ unter „Aktuelles“ berichtet, wie da der Stand ist -, dass das ab jetzt schon bald durch die Projektträger praktiziert wird, dass also die Wirtschaftsregion Lausitz prüft, ob es eine Stellungnahme der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten gibt. Ich würde vorschlagen, dass wir das im nächsten oder im übernächsten „S-Lausitz“ – das muss der Vorsitzende prüfen – noch einmal unter Aktuelles oder Verschiedenes besprechen.

So viel zum Antrag der Linken. Ich habe noch ganz kurz Zeit, mich bei Frau Nicklisch zu bedanken. Ich bedanke mich dafür, dass Sie anerkannt haben, dass wir es sehr schnell geschafft haben, bei einem nicht ganz einfachen Thema in der Koalition einen sehr guten Antrag mit vielen Lösungen, die aus meiner Sicht – das haben Sie etwas anders gesehen – sehr viel Veränderung bringen, zu stellen. Wenn wir darüber reden, wie wir Arbeitsplätze schaffen, dann tun wir das mit der Frage, wie wir die Strukturmittel einsetzen. Das alles hängt ja miteinander zusammen. Wenn wir mehr Frauen an den Stellen haben, wo darüber geredet wird, dann heißt das natürlich auch, dass sich das darauf auswirkt, was für Arbeitsplätze wir in der Region schaffen. Deswegen glaube ich, dass wir Ihrem Anliegen mit diesem Antrag auch schon sehr gut Rechnung tragen, und ich freue mich dann über Ihre Zustimmung zu unserem Koalitionsantrag. – Danke.

Verwandte Beiträge

Einladung zur Ausstellungseröffnung Kult!INKoffer „Welten“ am 25.04. im Landtag

Stiftung für Braunkohlefolgen: Erfolgsmodell aus der Steinkohle stimmt optimistisch

Abspaltung der Kohlesparte ist für Landesregierung „Unternehmensangelegenheit“: Bündnisgrüne fordern: Die Landesregierung muss für Aufklärung sorgen

lass uns mal machen #032 – Europa in den Bundesländern – Mit Katja Meier (Sächsiche Staatsministerin für Europa)

Solareuro bringt Kämmerer und Ortsbeiräte zum Strahlen – Kommunen in Elbe-Elster und Oberspreewald-Lausitzprofitieren von PV-Anlagen