19. November 2021 | Aus dem Landtag, Reden, Strukturwandel

Strukturwandel der Kohleregion Lausitz in Gefahr – Brandenburg lehnt neue Ziele im Kohleausstiegsgesetz zum Jahr 2030 ab

Lest hier meine Rede zur Debatte um den Kohleausstieg im Jahr 2030 zum Antrag der AfD-Fraktion. Zu sehen ist meine Rede auch beim rbb.

Drucksache zum Tagesordnungspunkt: 7/4486

Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Der Strukturwandel in der Lausitz ist in vollem Gange, und nicht erst – aber dadurch bestärkt und beschleunigt – durch das Strukturstärkungsgesetz, das jetzt etwas mehr als ein Jahr alt ist. Ich finde, wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, was seitdem alles geschafft wurde. Das Bahnwerk in Cottbus wird ausgebaut, und dort sollen schon im Jahr 2024 die ersten ICEs repariert werden. Bis zum Jahr 2026 entstehen hier 1 200 Industriearbeitsplätze. Ich weiß, dass dies vielen Fraktionen hier im Haus – im Ausschuss diskutieren wir oft darüber – sehr wichtig ist. Ich treffe die Menschen, die beispielsweise an den neuen Forschungseinrichtungen an der BTU Cottbus arbeiten. Das sind qualifizierte und engagierte Leute, die wir in die Lausitz holen und dort halten müssen. Als weiteres Beispiel nenne ich den vor Kurzem vorgestellten länderübergreifenden „Kulturplan Lausitz“, der zeigt, welchen Beitrag die Kultur im Rahmen des Strukturwandels leisten kann. Auch ich erlebe in vielen Gesprächen in der Lausitz Unsicherheit und Unbehagen bei der Diskussion über die Jahreszahlen. Aber wenn wir als Landespolitik weiterhin den Eindruck erwecken, dass wir in jedem Fall erst 2038 aussteigen und in diesem Haus eine Gesetzesänderung ablehnen könnten, die noch gar nicht vorliegt, erreichen wir das Gegenteil von Sicherheit und Verlässlichkeit. Ein früherer Braunkohleausstieg ist klimapolitisch notwendig, um überhaupt eine Chance – und ich sage ganz deutlich: Es ist nur eine Chance, wir müssen noch deutlich mehr tun – zu haben, die Beschlüsse aus Glasgow umsetzen zu können. Die Braunkohleverstromung ist extrem CO2-intensiv und befeuert die Klimakrise damit stärker als viele andere Energieträger. Auch in Brandenburg und in der Lausitz spüren wir die Auswirkungen der Klimakrise – die nur ein Teil der Abgeordneten anerkennt – schon heute. Aber wenn wir uns die Wasserknappheit in der Region vor Augen führen und die Pläne, zugleich riesige Tagebaulöcher zu fluten, dann sind wir für einen gelingenden Strukturwandel auch ganz dringend auf die Bekämpfung der Klimakrise angewiesen. Bitte lassen Sie uns die Augen vor der Realität nicht verschließen. Neben den notwendigen politischen Entscheidungen auf Bundesebene gibt es zwei Aspekte, die zu einem früheren Kohleausstieg führen können. Was Ihnen bei genauer Lektüre – das wurde auch schon angesprochen – nicht entgangen sein sollte: Im Kohleausstiegsgesetz sind bereits Daten enthalten, zu denen eine Prüfung erfolgen soll. Ich will an dieser Stelle aber noch einmal deutlich darauf hinweisen: Der sogenannte Kohlekompromiss ist von der Bundesregierung im Kohleausstiegsgesetz nicht komplett eingehalten worden. Da sind spätere Checkpoints vereinbart worden als im gesellschaftlichen Konsens. Auch der stetige Reduktionspfad, der im Kohlekompromiss vereinbart war, findet sich im Kohleausstiegsgesetz nicht wieder, und somit hat die alte Bundesregierung diesen Kompromiss nicht umgesetzt. Gleichzeitig nimmt der europäische CO2-Zertifikatshandel an Fahrt auf. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass der Kohleausstieg aufgrund wirtschaftlicher Faktoren beschleunigt wird. Als Politik sollten wir diese Situation erkennen und vorausschauend und verlässlich handeln, indem wir uns als Land auf einen früheren Kohleausstieg vorbereiten. Wir sollten hier, aber vor allem in der Lausitz, mit den Menschen über das Wie diskutieren. Was brauchen wir dafür? Was sind die Ängste und Sorgen, aber was sind auch die Hoffnungen? Welche positiven Effekte kommen auf die Lausitz zu? Wir Bündnisgrüne schlagen vor, insbesondere die Stärkung der Zivilgesellschaft als eine Konsequenz aus dem dringend notwendigen früheren Kohleausstieg zu sehen. Wir schließen uns damit auch der Forderung der sächsischen Bündnisgrünen an. Die Mittel für die Zivilgesellschaft müssen aufgestockt werden, so zum Beispiel das STARK-Programm des Bundes. Es wurde bereits viel gemeistert, aber es liegen auch noch viele Herausforderungen vor uns. Der Antrag der AfD ist dabei das Gegenteil von hilfreich. Uns steht eine Kommunikationsaufgabe bevor, der wir Demokratinnen und Demokraten uns gemeinschaftlich stellen sollten. Vor allem aber sollten wir uns der Verantwortung stellen, diesen Strukturwandel zu gestalten und eine Politik zu machen, die den Herausforderungen in der Lausitz und gleichzeitig den ernsthaften Bedrohungen der Klimakrise gerecht wird. So halten wir junge Menschen in der Lausitz – nicht mit Rückwärtsgewandtheit und Rechtsextremismus. – Ich danke Ihnen.

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